zukunftswaende
Neben dem Tiny House erfreut sich eine weitere Wohnform immer größerer Beliebtheit – das Leben in einer Jurte. Inspiriert von der Lebensweise der Menschen in der Mongolei. Ursprünglich als traditionelles Rundzelt bekannt, wird die Jurte auch hierzulande immer häufiger als nachhaltige Alternative zum klassischen Wohnen und Reisen entdeckt. Aber wie ist das Leben in einer Jurte? Das hat unsere Autorin getestet und erzählt von ihren Erlebnissen aus der Mongolei.
Das Leben in einer Jurte
„Bumm, bumm, bumm”. Es ist 5:30 Uhr morgens, ich werde von einem energischen Klopfen geweckt – und reagiere nicht. Das ist der Frau vor der Tür aber herzlich egal. Sie öffnet die Tür und tritt mit einem Holzkorb, so groß wie ihr Oberkörper, ein. Mit ihr dringt ein Schwall kalter Luft herein. Ich ziehe mir den dicken Antarktisschlafsack über das Gesicht. Der hält zwar warm bis -25° C, nur herrschen draußen leider -35° C. Beginnender Winter in der Mongolei eben.
Die junge Frau zieht derweil ihren langen grauen Del – der traditionelle Mantel der Mongolen – aus und legt ihn auf das freie Bett. Steht jetzt da in Rentierfellstiefeln, einer blauen Skihose und dickem Pulli. Sie stellt den dicken Korb neben dem Ofen in der Mitte des Zeltes ab. Der Ofen ist in jedem Rundzelt der Mongolen das Herzstück. Auf ihm wird gekocht, geheizt, getrocknet. Drumherum verteilt sich das Leben: Betten, Tische, Couches, Fernseher, Kleiderschränke, eben jeder nach seiner Façon und Größe des Zeltes.
Leben in einer Jurte: Die hohe Kunst des Feuermachens
Die Frau macht sich derweil ans Werk: Sie öffnet den Ofen und inspiziert kritisch die seit sechs Stunden glimmende Glut. Bis sie die Tür geöffnet hat, habe ich nicht gefroren. Mit geübten Handgriffen schichtet sie das frische Holz im Wechsel mit Kohle im Ofen auf und entzündet das Feuer. Die hohe Kunst des Feuermachens – sie versteht sie wahrlich. Dann überlässt sie mich meinem Morgen.
Als die Wärme wieder in alle Ecken des Zeltes gekrochen ist, stehe ich auf, ziehe eine Skihose über meine gefütterte Jogginghose und schlüpfe in meine dicken Stiefel und Winterjacke.
Nachhaltigkeit und Minimalismus: In einer Jurte wohnen
Weiter geht das Leben in einer Jurte. Ich schnappe mir den Wasserkessel, zähle innerlich bis drei und trete in die Kälte hinaus. Schnell fülle ich den Kessel mit Schnee und rette mich zurück in meine warme Jurte. Der Kessel wandert auf den Ofen und ich wieder ins warme Bett. Mit dem kochenden Wasser brühe ich mir meinen Kaffee zum Genießen auf. Im Rest des heißen Wassers schmelze ich weiteren Schnee und putze mir dann mit dem lauwarmen Wasser die Zähne.
Die Sache mit dem Wasser klingt sehr viel dramatischer als sie ist. Ich habe lediglich spontan meine Wintersafari im Gorchi-Tereldsch-Park verlängert – ein Nationalpark in der Nähe von Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Auf Wintersafari in der schneebedeckten Mongolei von einer Jurte zur nächsten zu fahren, ist unvergleichlich. Und weil ich meine Reise so spontan umgesetzt habe, versuche ich jetzt morgens mein kostbares Trinkwasser zu sparen. Wirklich unangenehm ist es nur, bei -35° C draußen aufs Plumpsklo zu gehen. Aber immerhin wärmt sich das Land schnell auf, wenn die Sonne aufgegangen ist.
Mitten in Deutschland in Jurten wohnen
Ich teile schlichtweg die Faszination für das einfachere Leben in Jurten und das damit verbundene ständige Draußen sein in der Natur. Die Jurte, auch als „Ger" bekannt, ist das traditionelle Zelt der Mongolen. Die runde Form der Jurte symbolisiert die Einheit mit der Natur, schafft eine beruhigende Atmosphäre – und findet auch in Deutschland mittlerweile mehr und mehr Anhänger:innen. Zum Glück für mich. Denn so komme ich auch ohne lange Auslandsaufenthalte in den Genuss des Jurten-Lifestyles. Wenn ich möchte, auch einfach nur mal eben übers Wochenende.
So auch auf dem Hof von Ina und Jens. Die beiden führen das „Unser kleiner Hof” in Wietzen. Das liegt zwischen Hannover und Bremen. Sie führen den Hof bereits in siebter Generation und haben ihn komplett auf Tourismus ausgelegt. Hier könnt ihr das Leben in einer Jurte ausprobieren oder in Schäferwagen oder Holzbiwaks schlafen. Und egal, ob Sommer oder Winter: ihr kommt außerdem noch in den Genuss einer Holzfasssauna und könnt es euch richtig gut gehen lassen.
Leben in einer Jurte – eine Möglichkeit des minimalistischen Wohnens?
Für Menschen, die inmitten der Natur ökologisch, ohne schädliche Baustoffe, sehr unkonventionell und minimalistisch wohnen möchten, ist die Jurte eine gemütliche Möglichkeit, ihren Wohntraum zu leben. Auch bei Jens und Ina übernachten immer mal wieder Menschen, die dieses Leben einmal austesten wollen.
Damit ist klar: Die Jurte ist mehr als nur ein Zelt – sie ist eine Hommage an die Lebensweise der Hirt:innen und Jäger:innen in der Mongolei. In der Jurte können Menschen in Deutschland die Freiheit und Unabhängigkeit der freiheitsliebenden Kultur hautnah erleben. Ob als temporäre Unterkunft für ein Abenteuer unterwegs in der Natur oder als langfristiges Zuhause inmitten von Wäldern und Wiesen – das Leben in einer Jurte eröffnet neue Perspektiven für einen erfüllten und umweltbewussten Lebensstil. Und aus einer Jurte heraus einen Sonnenaufgang zu sehen, gehört zu den schönsten Dingen überhaupt.