Helene Kilb (Textkonfekt)
Die Stadt von morgen, wie mag sie wohl aussehen? Eine mögliche Antwort auf diese Frage findet sich im Berliner Ortsteil Adlershof. Auf den ersten Blick scheinen es Kleinigkeiten zu sein, die diesen Ortsteil vom Rest der Stadt unterscheiden: keine Gullys an den Straßenrändern, begrünte oder mit Photovoltaikanlagen ausgestattete Neubauten-Dächer. Der Ortsteil berücksichtigt das Schwammstadt-Konzept.
Auffälliger ist das Institut für Physik der Humboldt-Universität, wo sich Clematis, Blauregen und andere Kletterpflanzen an der Fassade emporranken. Natürlichkeit liegt auch bei der Städteplanung im Trend. Der Klimawandel, der die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen steigert, macht daraus aber mehr und mehr eine Notwendigkeit. Zwar lassen sich Hochwasser-Ereignisse wie im Juli in der Eifel nicht unbedingt verhindern. Ihre Wucht abzumildern, könnte jedoch gelingen: mit dem Schwammstadt-Konzept, wie es bereits in dem eingangs erwähnten Ortsteil Berlin-Adlershof Verwendung findet.
Verantwortlich für das Schwammstadt-Konzept ist das Team der bgmr Landschaftsarchitekten, dessen Mitbegründer Dr. Carlo Becker den Begriff „Schwammstadt“ auch als Marke hat schützen lassen. „Bei dem Schwammstadt-Konzept kommen zwei wichtige Komponenten zusammen“, sagt Becker. „Eine wassersensible Stadt zu entwickeln und das Wasser gleichzeitig für Hitzeanpassungen zu nutzen." Das Augenmerk beim Schwammstadt-Konzept liegt auf dem Wasserhaushalt in einer Stadt – genauer: dem Regenwasser. Egal, ob es zusammen mit dem Schmutzwasser aus den Haushalten in einem Mischsystem landet oder durch die Kanäle eines Trennsystems in die Gewässer geleitet wird, das Ergebnis bleibt gleich: Das Wasser verlässt auf schnellstem Weg die Stadt, in der es eigentlich dringend gebraucht würde. „Wir müssen das Regenwasser in der Stadt behalten“, sagt daher der Landschaftsarchitekt Dr. Carlo Becker.
Stichwort „Multicodierung“ bei dem Schwammstadt-Konzept
In seiner Publikation „Strategien für eine hitzeangepasste und wassersensible Stadt“ vergleicht Becker städtische Räume mit einer Badewanne, die normalerweise der Reinigung dient, aber genauso gut als Tränke, Lebensraum für Fische, der Entspannung oder der Getränkekühlung bei einem Fest dienen könnte. In einer Stadt wäre es entsprechend von Vorteil, einzelne Ziele nicht unabhängig voneinander zu sehen. Stattdessen sollten Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Naturschutz Hand in Hand gehen. Mit dem Schwammstadt-Konzept kann das durchaus funktionieren. Denn in diesem Sinne umgestaltete Flächen speichern das Wasser im Boden und bieten so Pflanzen und Tieren eine Heimat. Gleichzeitig lässt in einer Schwammstadt viel Grün Menschen zur Ruhe kommen. Während Hitzeperioden sorgt das System für Kühlung, da das Wasser vom flüssigen in den gasförmigen Zustand übergeht und der Luft auf diese Weise Wärme entzieht.
So funktioniert das Schwammstadt-Konzept
Die Möglichkeiten, das Schwammstadt-Konzept zu realisieren, sind vielfältig, haben aber alle eines gemein: Sie zielen darauf ab, versiegelte Flächen einer Stadt wieder durchlässig zu machen und den Regen dort zu sammeln, wo er fällt. In vielen deutschen Städten ist das aber nicht ohne weiteres möglich, weil die Flächen bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder auf sonstige Weise abgedichtet sind. Der Anteil der Bodenversiegelung steigt hierzulande seit Jahren an, auf Siedlungs- und Verkehrsflächen sind es einer Schätzung des Umweltbundesamts zufolge im Schnitt etwa 45 Prozent. Um versiegelte Flächen in Schwammstadt-Konzept-konforme umzuwandeln, helfen etwa Dachbegrünungen, versickerungsfähiges Pflaster oder Versickerungsmulden anstelle von Gullys. Bei Böden, in denen das Wasser nur langsam versickert, bietet sich das Mulden-Rigolen-System an. Hier sammelt sich das Wasser zunächst in einem meist unterirdischen Speicher, der Rigole, und von dort aus geht es nach und nach in den Boden über. Das Nachrüsten gestaltet sich dabei aber eher schwierig. „Man sagt, eine Stadt erfindet sich höchstens alle hundert Jahre einmal neu“, sagt Landschaftsarchitekt Dr. Becker. „Daher ist es immens wichtig, das Thema der Klimaanpassung durch das Schwammstadt-Konzept mitzudenken, wo immer sich etwas tut.“
Das Zuhause frühzeitig nach dem Schwammstadt-Konzept anlegen
Bebaute Flächen umzugestalten, ist mit großem Aufwand verbunden. Zudem dauert es, bis der Boden sich von der ehemaligen Versieglung erholt. Vordenken sei da wesentlich besser, sagt Dr. Becker. „Bei einem Neubau etwa sind Klimaanpassungen, wie solche, die durch das Schwammstadt-Konzept erreicht werden, deutlich einfacher zu integrieren, als diese in den Bestand einzuschieben.“ Das gilt nicht nur für große Wohnanlagen und Mehrfamilienhäuser, sondern auch für jedes einzelne geplante Haus. „Ich empfehle, das Regenwasser nicht an das Kanalsystem anzuschließen.“
Stattdessen biete es sich an, das Wasser nach dem Schwammstadt-Konzept zu verwenden. Indem das Regenwasser in einer Zisterne gesammelt und während Hitzeperioden zum Gießen genutzt wird. Das Wasser, das die Pflanzen dann über ihre Blätter verdunsten, dient der Kühlung. „Das Zweite wäre, das Wasser in sogenannte Verdunstungsbeete zu leiten.“ Dort saugt sich der Boden voll, unterhalb der Oberfläche hält ein natürlicher Lehmboden oder ein künstlich angelegtes Becken das Wasser zurück, sodass die Gartenpflanzen darauf zugreifen können - so kann eine kleine Schwammstadt entstehen und das Schwammstadt-Konzept ist umgesetzt. Als Verdunstungsbeet-Bepflanzung eignen sich Weidenbüsche oder klimaresiliente Gräser, die mit langen Trockenphasen genauso gut zurechtkommen wie mit großer Feuchtigkeit. Für den Baumbestand innerhalb des Schwammstadt-Konzepts eignen sich Baumrigolen unterhalb der Wurzeln. Auch die übrigen Flächen sollten versickerungsfähig sein. Generell gilt es, Wasser bewusst einzusetzen – mit einigen Tricks ist Wassersparen im Garten kein Problem.
So funktioniert das eigene Grundstück wie ein in sich stimmiges Biotop, das mit eigenen Wasserressourcen versorgt wird. Das macht sich im Übrigen auch im Geldbeutel bemerkbar: Denn für jeden Quadratmeter versiegelter Grundstücksfläche zahlen Besitzer:innen eine Gebühr – bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus sind das zwischen 150 und 300 Euro im Jahr. Jetzt weißt du über das Schwammstadt-Konzept Bescheid und kannst deinen Neubau bei Bedarf Schwammstadt-Konzept-konform planen und der Umwelt etwas zurückgeben! Wir von Zukunftswaende hoffen, dass du in diesem Beitrag viele neue Informationen über das Schwammstadt-Konzept gewinnen konntest.
Übrings: Auf unserer Webseite kannst du noch mehr über andere spannende Wohnformen erfahren.